Dienstag, 3. Januar 2012

Neuer Journalismus

Nun hat er sogar noch einen Journalisten bedroht, unser guter Bundespräsident. (Wo ja die Bildzeitung bekannt ist für fairen und unabhängigen Journalismus). Jetzt ist er dran. Er weiß es nur noch nicht. Noch hofft er, seinen Kopf aus der Schlinge zu bekommen. Bemüht sich um Entschuldigungen, Erklärungen, Wiedergutmachungen. Aber das haben vor ihm schon andere versucht und am Ende doch verloren.
Früher mussten Politiker zurück treten, wenn man ihnen berufliche Fehltritte nachweisen konnte. Heute wühlen die Journalisten in privatesten Verfehlungen herum. Um ein hohes Amt zu bekleiden darf man keine junge Freundin haben, man darf seine Doktorarbeit nicht abschreiben, man  darf nicht betrunken Auto fahren und man darf sich von Bekannten kein Geld leihen. Die Wahrscheinlichkeit dass man dann sein Amt nicht ordnungsgemäß ausführt, ist angeblich zu groß.
Ich will nicht missverstanden werden. Ich finde es schlimm, betrunken Auto zu fahren, es ist nicht fair, eine Doktorarbeit abzuschreiben, und als 40-jähriger eine 16 jährige Freundin zu haben, finde ich auch seltsam. Aber kann ich nicht trotzdem ein guter Politiker sein? Schließlich wollen wir doch Politiker wie du und ich, und keine asketischen Engel.
In Wirklichkeit geht es um etwas anderes. Journalisten wittern eine Story, verbünden sich gezielt, um jemanden abzusägen. Dabei schrecken sie nicht davor zurück, das privateste Leben an die Öffentlichkeit zu zerren. Kameras richten sich auf Einfamilienhäuser, auf Klingelschilder und über Gartenzäune. Alte Fotos werden ausgegraben, die wirrsten Bekannten zum Interview geladen.
Wenn sie jemanden an der Angel haben, gibt es kein Entrinnen. Sie lassen ihn zappeln, geben manchmal ein bisschen Schnur nach, lassen ihn wild durch den See treiben und freuen sich an seiner Hilflosigkeit. Und dann schlagen sie zu. Der Haken bohrt sich tiefer und tiefer ins Maul, und sie lachen und können es kaum abwarten, ihn gebraten oder geräuchert auf den Tisch zu bekommen.
Wenn das der freie Journalismus ist - welch ein Graus.
Wenn man als Politiker so etwas aushalten muss - vielen Dank.
Da bin ich froh, weder auf der einen, noch auf der anderen Seite zu stehen. 


(Foto: Jeju, Korea)

1 Kommentar:

  1. Na ja, es geht ja nicht nur um "Geld von Freunden leihen" sondern darum, dass

    a) die Möglichkeit eines Interessenkonflikts besteht und

    b) Wulff in seiner Funktion als niedersächsischer Ministerpräsident über die Transaktion, als befragt, so ausgesagt hat, dass man zwischen Wahrheit und Lüge nichtmal mehr eine Scheibe Käse hindurchschieben könnte.

    Mit der letzten Aktion, so die berichteten Fakten denn der Wahrheit entsprechen, hat er sich natürlich endgültig unbeliebt gemacht, aber wenigstens sind unsere Politiker immer noch unterhaltsam. ^^

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