Freitag, 31. Mai 2013

Schreibhafen




Früher habe ich oft gedacht, als Autor kann man überall schreiben, und als ich in dem Film über Thomas Mann sah, wie er in der Emigration Eins zu Eins versuchte, seinen Arbeitsplatz pedantisch wieder herzustellen, habe ich mich an den Kopf gefasst.
Doch mittlerweile weiß ich, in Hotels kann ich mich beim Schreiben schlechter konzentrieren und verschiebe das kreative Schreiben meist auf die Zeit, wenn ich wieder zu Hause bin. Und an Orten, die so ganz anders sind als Zuhause, gelingt mir das Schreiben meist gar nicht.  
Nun haben wir für zehn Tage Besuch, zwei Physiker-Kolleginnen meines Mannes aus der Ukraine, und selbstverständlich habe ich ihnen unser Gästezimmer und die Schlafcouch in meinem Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt. Ich sitze jetzt im Wohnzimmer und schreibe. Echt, es ist nett hier, und Platz genug habe ich auch, aber es ist nicht mein Hafen. Ich merke erst jetzt, wie lieb und wichtig mir mein Zimmer ist: Die vielen Bücher rundum zum Beispiel, in denen ich immer mal was nachschlagen muss. Wie mich auch die Bilder der Protagonisten inspirieren, die um den Schreibtisch hängen habe. Und dann meine beiden Monitore – ich fand sie am Anfang so eine luxuriöse Verschwendung. Jetzt kann ich kaum noch ohne sie zurechtkommen. Der Monitor meines Laptops erscheint mir eine spartanische Reduzierung auf das Allernötigste. Am meisten aber vermisse ich den Blick aus den Dachflächenfenstern in den Himmel. Denn um richtig frei schreiben zu können, muss man immer ein bisschen in den Himmel schauen, finde ich. 

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